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#Interview mit Prof. Dr. Sebastian Wicha vom Institut für Pharmazie an der Universität Hamburg

In diesem Blogbeitrag sprechen wir mit Prof. Dr. Sebastian Wicha vom Institut für Pharmazie an der Universität Hamburg darüber, was eigentlich ein Pharmaziestudium ausmacht. Besonders spannend: Sebastian Wicha erzählt, wie er selbst zum Pharamziestudium gekommen ist. Und “Save the Date”: Am 21. Februar 2023 ist Unitag in Hamburg!

 

Foto: Sebastian Wicha
Foto: Sebastian Wicha

Möchten Sie sich einmal vorstellen?

Mein Name ist Sebastian Wicha. Ich habe im schönen Freiburg Pharmazie studiert und danach an der FU Berlin bei Charlotte Kloft in Klinischer Pharmazie promoviert. Im Anschluss daran habe ich mich wissenschaftlich weiter betätigt als Postdoktorand oder „Postdoc“ in Uppsala, Schweden. 2017 bin ich als Junior-Professor für Klinische Pharmazie an die Universität Hamburg gekommen. Seit 2022 bin ich ordentlicher Professor und beschäftige mich in der Forschung mit der Pharmakokinetik und Pharmakodynamik mit dem Ziel, die Arzneimitteltherapie zu optimieren. In meiner Arbeitsgruppe untersuchen wir die Optimierung der Dosierung für spezielle Patientenpopulationen, zum Beispiel Patienten auf der Intensivstation.

Pharmaziestudium in Hamburg

Was sind Pharmakokinetik und Pharmakodynamik?

Die Pharmakokinetik beschreibt das, was im Organismus passiert, wenn wir ein Arzneimittel zu uns nehmen. Wie wird beispielsweise eine geschluckte Tablette im Körper aufgenommen, verteilt und ausgeschieden? Um diese Prozesse zu beschreiben, verwenden wir mathematische Modelle.

Die Pharmakodynamik ist das, was das Arzneimittel im Körper bewirkt, z.B. wie ein Antibiotikum während einer anti-infektiven Therapie ein Bakterium abtötet. Auch das können wir mit Modellen beschreiben und diese Modelle nutzen, um Dosierungsberechnungen durchzuführen.

Wie sind Sie selbst zum Pharmaziestudium gekommen?

Mein Interesse an Naturwissenschaften war schon immer groß. In der Schule hatte ich Mathematik und Chemie als Leistungskurse. Zu der Zeit gab es einen Tag der offenen Tür an der Universität Würzburg, die für mich damals am nächsten lag. Dort bin ich auf die Pharmazie als vielfältiges Studium aufmerksam geworden. Es ist sehr naturwissenschaftlich orientiert und bildet die Brücke zur Medizin.

So etwas gibt es bei uns in Hamburg auch. Nutzen Sie diese Möglichkeiten, mal reinzuschnuppern ins Studium. Das kann sehr aufschlussreich sein: Unitag am 21. Februar 2023 in Hamburg

Wie kam es zu der Entscheidung für Ihren Weg? Wollten Sie von Anfang an Professor an einer Uni werden?

Tatsächlich nicht. Ursprünglich wollte ich Pharmazie studieren mit dem Ziel, in der Industrie tätig zu werden. Ich habe während meines Studiums bei einem Unternehmen der Chemie- und Pharmaindustrie als Werkstudent gearbeitet. Damals war die Klinische Pharmazie noch ein neueres Fach in Deutschland. Gleichzeitig gab es in den USA schon Stationsapotheker, die stark in die Therapie eingebunden waren. Aus Neugier darauf habe ich nach meinem Studium das praktische Jahr in den USA gemacht und dort interessante Einblicke in die Tätigkeit gewonnen.

Was du bei deiner Berufswahl beachten solltest

In den USA habe ich in einer Asthmaklinik gearbeitet und gemeinsam mit einem Krankenhausapotheker Medikationsanalysen durchgeführt. Meine Faszination für die Klinische Pharmazie war geweckt, deshalb habe ich bei Charlotte Kloft in Berlin promoviert. Während ich die Industrie noch im Hinterkopf hatte, war ich in Berlin bereits in der Lehre tätig. Ich habe sowohl Lehrveranstaltungen als auch relativ früh eine Diplomandin betreut. Charlotte gab mir viele Freiräume in der Forschung, sodass ich gegen Ende der Promotionszeit schon eine erste Version unserer Dosierungssoftware entwickelt habe, die wir jetzt immer noch weiterentwickeln. Es gefällt mir, an der Universität einerseits jungen Leuten etwas beizubringen und andererseits eigenen Ideen nachzugehen. Dort in Berlin ist mein Wusch entstanden, Professor zu werden.

Welche Berufswege gibt es sonst noch nach dem Pharmaziestudium?

Durch das Pharmaziestudium eröffnet sich ein sehr vielfältiges Feld.

Ich schätze, dass etwa 70 Prozent unserer Absolventen später in einer öffentlichen Apotheke arbeiten. In diesem Berufsfeld hat sich sehr viel getan. Im letzten Jahr wurden die pharmazeutischen Dienstleistungen eingeführt. Eine Medikationsanalyse, eine Schulung mit einem Asthma-Inhaler oder eine Beratung zu oralen Krebstherapeutika werden nun vergütet. Die Einführung der pharmazeutischen Dienstleistungen hat die Attraktivität des Berufes deutlich gesteigert. Unsere Pharmaziestudierenden sind begeistert von dieser Stärkung der heilberuflichen Komponente.

Ein weiteres wichtiges Berufsfeld ist die Industrie. Um dort in der Forschung arbeiten zu können, ist eine Promotion erforderlich.

Die Krankenhausapotheke ist ganz klar ein weiteres Berufsfeld, in dem sich einiges geändert hat. Vor 20 Jahren bedeutete Krankenhausapotheke oftmals eher Logistik. Inzwischen gibt es das Tätigkeitsfeld des Stationsapothekers auch bei uns in Deutschland, was für zusätzliche Arbeitsplätze sorgt. Es ist ein wahnsinnig attraktiver Arbeitsplatz für unsere Absolventen, da sie als Arzneimittelexperten Hand in Hand mit den Ärztinnen und Ärzten arbeiten können.

Und natürlich öffnet das Pharmaziestudium auch die Möglichkeit wissenschaftlich zu arbeiten. Nach dem Studium kann eine Promotion in einem der pharmazeutischen Fächer angefertigt werden. Üblicherweise ist man dafür 3-4 Jahre beschäftigt und ist auch in der Lehre am Institut eingebunden. Wer in der Wissenschaft bleiben möchte, muss sich anschließend ein eigenständiges wissenschaftliches Profil erarbeiten. Dazu kann man als „Postdoc“ arbeiten, wobei viele hierbei ins Ausland gehen, um dann nach der Rückkehr nach Deutschland z.B. eine Nachwuchsgruppe aufzubauen. Diesen Weg habe ich gewählt und bin sehr glücklich mit meiner Tätigkeit.

Nicht zuletzt gibt es das weite Feld der Verwaltung. Auch hier gibt es Tätigkeitsfelder für Apotheker, beispielsweise. in Aufsichtsbehörden, die die pharmazeutische Industrie überwachen.

Welche Voraussetzungen braucht man für ein Pharmaziestudium?

Eine formale Bedingung ist das Abitur. Etwas neuer hinzugekommen sind die Studiumeignungstests, in Hamburg der Naturwissenschaftstest HAM-Nat. Durch ein gutes Abschneiden in so einem Studierfähigkeitstest kann man eine etwas schlechtere Abiturnote kompensieren.

Es gibt auch einige persönliche Voraussetzungen. Ein Interesse an Naturwissenschaften, Durchhaltevermögen und Ausdauer sollte man mitbringen. Das Pharmaziestudium ist zeitintensiv, man kann es als Vollzeitbeschäftigung ansehen. Durchhalten lohnt sich, denn im Anschluss hat man quasi eine Jobgarantie, da Apothekerinnen und Apotheker gesucht sind wie nie.

Was sind die Inhalte eines Pharmaziestudiums?

Das Pharmaziestudium ist in drei Abschnitte gegliedert, wovon zwei Abschnitte an der Universität stattfinden.

Die ersten vier Semester sind das sogenannte Grundstudium. In dieser Phase absolviert man ein naturwissenschaftliches Studium, in dem Grundlagen der Chemie, Biologie, Physik und Mathematik vermittelt werden. Das Grundstudium der Pharmazie ist ähnlich wie ein Chemie- oder Biologiestudium, aber ein bisschen vielfältiger. Dennoch ist es ganz klar grundlagenorientiert, um das Handwerkszeug aufzubauen für das Hauptstudium, das deutlich anwendungsbezogener ist.

Im Hauptstudium geht es um:

  • Die Pharmakologie: Man lernt, wie Arzneimittel auf molekularer Ebene wirken.
  • Die medizinische Chemie, die sich mit den molekularen Wirkungsmechanismen beschäftigt.
  • Die pharmazeutische Technologie: Hier lernen unsere Studierenden, wie man aus dem Arzneistoff, der ein Molekül darstellt, ein Arzneimittel macht. Das Molekül wird zum Beispiel als Tablette oder Infusionslösung formuliert.
  • Und bei mir in der Klinischen Pharmazie geht es darum, die Arzneimitteltherapie an den Patienten zu bringen. Wir beschäftigen uns mit Medikationsanalysen, um eine optimale Therapie zu finden, wenn mehrere Arzneimittel gleichzeitig gegeben werden. Außerdem betrachten z.B. wir das therapeutische Drug-Monitoring, spezielle Patientengruppen wie Schwangere, Kinder und Senioren und viele weitere Aspekte der Arzneimittelanwendung.

Der dritte Abschnitt findet in der Praxis statt, das praktische Jahr, wovon die Hälfte in einer öffentlichen Apotheke absolviert werden muss. Die andere Hälfte kann auch in der Industrie, an der Universität oder im Krankenhaus durchgeführt werden. Zusätzlich gibt es einen begleitenden Unterricht, der von der Apothekerkammer organisiert wird.

Nach fünf Jahren ist man bereit, die Approbation zu beantragen, wenn man alle Prüfungen erfolgreich absolviert hat.

Gibt es an verschiedenen Hochschulen unterschiedliche Schwerpunkte oder ist das Pharmaziestudium bundesweit einheitlich?

Die Institute in Deutschland betreiben auch Forschung. Dabei gibt es natürlich sehr unterschiedliche Ausrichtungen, die man im Rahmen der Wahlpflichtpraktika kennenlernen kann.

Für die Lehre gibt es eine einheitliche Approbationsordnung, die bundesweit gilt. Sie gibt den Rahmen vor, wodurch die Lerninhalte zwischen den einzelnen Standorten vergleichbar sind. Insbesondere das Grundstudium ist sehr ähnlich, denn das erste Staatsexamen, was nach vier Semestern absolviert werden muss, wird zentral gestellt. Es ist eine standardisierte Multiple-Choice-Prüfung mit deutschlandweit gleichen Fragen, die vom Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen erarbeitet werden.

Im zweiten Abschnitt, also den Semestern fünf bis acht, werden die Schwerpunkte an den einzelnen Standorten ein wenig unterschiedlich ausgelegt, aber auch hier gibt die Approbationsordnung den Rahmen vor.

Was werden Sie von Studierenden immer wieder gefragt?

Unsere Studierenden sind ganz hungrig auf die verschiedenen Tätigkeitsfelder nach dem Studium. Die Apotheke ist den meisten bekannt, aber es gibt diffuse Vorstellungen darüber, was man sonst noch alles machen kann. Konkret wird gefragt: „Wie kann man Einblicke in die Tätigkeitsfelder erlangen?“ Es gibt einige Möglichkeiten:

  • Die Famulatur ist ein Praktikum von zweimal vier Wochen im Grundstudium. Ich habe es damals in einer Krankenhausapotheke absolviert und fand es sehr aufschlussreich.
  • Im praktischen Jahr kann man neben der öffentlichen Apotheke die Industrie kennenlernen oder man geht ins Ausland, um sich anzuschauen, wie Pharmazie dort gelebt wird. Für mich war mein USA-Aufenthalt eine sehr wertvolle Erfahrung, die ich nach Deutschland zurückgebracht habe.
  • Die Semesterferien kann man nutzen, um zu jobben oder Praktika in einer Arbeitsgruppe an der Universität durchzuführen. Ich hatte damals als Werkstudent in der Industrie gearbeitet.

Ich ermutige die Studierenden, mit offenen Augen die Tätigkeitsfelder schon während des Studiums zu erkunden, um sich selbst ein Bild zu machen, wo man später hinmöchte.

Gibt es typische Missverständnisse oder Irrtümer bei den Studierenden?

Die Apotheke wurde in der Vergangenheit nicht immer als attraktiver Arbeitsplatz wahrgenommen. Viele Studierende wollten in die Industrie, obwohl ihnen oft nicht klar war, was sie dort machen würden. Interessanterweise ändern sich die Zielrichtungen ganz häufig nach dem praktischen Jahr, nachdem die Studierenden selbst in einer Apotheke gearbeitet haben. Sie erkennen die Apotheke als einen total spannenden Arbeitsplatz, denn man kann sein Wissen nutzen, um bei den Patienten für eine bessere Therapie zu sorgen.

Die Wahrnehmung ist aktuell im Wandel durch die bereits erwähnten pharmazeutischen Dienstleistungen, die über die Krankenkassen vergütet werden. Die Stärkung der pharmazeutischen Dienstleistungen wird dazu führen, dass sich Absolventen noch aktiver für die öffentliche Apotheke entscheiden.

Das zweite Missverständnis ist eine Fehleinschätzung der Promotion. Immer wieder äußern Studierende den Wunsch, nach dem Studium eine Doktorarbeit zu schreiben, ohne ein Ziel vor Augen zu haben. Die Promotion ist ein zeitliches und persönliches Investment, das drei bis vier Jahre dauert. Das Fach und das Thema wollen gut überlegt sein. Studierende sollten sich die Fragen stellen:

  • Warum will ich eine Doktorarbeit schreiben?
  • Möchte ich später in der Forschung tätig werden?
  • In welchem Bereich möchte ich später arbeiten?

Ich befürworte eine Doktorarbeit ausdrücklich, um sich wissenschaftlich weiter zu entwickeln. Aber man schreibt sie nicht einfach nebenher, sondern das ist wirklich ein Commitment.

Gibt es Dinge, die Studierende häufig falsch machen? Vielleicht, weil sie sich nicht zu fragen trauen?

Wir haben ganz prima Studierende. Sie sind sehr pflichtbewusst und hinterfragen die Inhalte durchaus kritisch. Manchmal haben sie falsche oder noch nicht ausgereifte Vorstellungen über das spätere Berufsfeld. Sobald sie sich in das System Pharmaziestudium eingefunden und das erste oder zweite Semester überstanden haben, bleiben sie dabei, beißen sich durch und kommen am Ende auch zum Abschluss.

Vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Offenheit.